Bedingungslose, innige Liebe und tiefe Trauer

Warum kommt meine Mama nicht über meinen Heimgang hinweg?
Warum wird das Vermissen immer größer statt kleiner?
Warum leidet sie immer mehr unter meiner Abwesenheit?

Ich bin auf den ersten Blick ratlos.

Doch dann habe ich mir viele Gedanken über den Zusammenhang von Liebe und Trauer gemacht. Und ich rede hier von echter, tiefer Liebe, die sowohl das Leben als auch den irdischen Tod überdauert, in der geistigen Welt fortdauert, also nie aufhört. Eine Liebe, die mit jedem Gedanken an den Vorausgegangenen immer inniger und tiefer wird. Inniger vielleicht sogar wie zu Lebzeiten, weil zu Lebzeiten ist alles so selbstverständlich. Die gegenseitige Liebe ist da, aber sagt man sie auch dem geliebten Menschen? Kann man ja alles irgendwann noch nachholen – typisch Mensch, so war es auch bei uns, aber unsere Seele wusste es besser, das Leben machte uns einen Strich durch die Rechnung. Und dieses nicht Aussprechen zu Lebzeiten macht es nach dem Heimgang noch schwieriger als es ohnehin schon ist. Plötzlich erkennt man, was alles nicht mehr geht und jetzt beginnt man nachzudenken. Nachdenken über all das, was man in den gemeinsamen Jahren versäumt hat zu machen und zu sagen – aber auch über all das, was man nicht mehr sagen und machen kann. Plötzlich wird einem klar wie fragil dieses menschliche Leben ist, dieses Miteinander, von dem man dachte, es würde ewig so weitergehen. Und diese Gedanken haben nicht nur die Diesseitigen, sondern auch wir Jenseitigen und auch uns beschäftigen sie intensiv.

Und in dieser verzweifelten Situation beginnt der irdische Mensch sich Vorwürfe zu machen, empfindet nie dagewesene psychische Schmerzen, die sich nicht beschreiben lassen, entsteht eine nicht enden wollende Sehnsucht, ein immenses Gefühl des Vermissens und all das gipfelt im Gefühl der Trauer, vielleicht lassen sich diese Gefühle auch unter dem Oberbegriff der Trauer zusammenfassen. Ich möchte hier nur auf diese Aspekte eingehen und andere Themen wie z.B. die fehlende Zukunftsperspektive beider Parteien, die verpassten Chancen und Möglichkeiten des Vorausgegangenen, die vielen unvollendeten Projekte und vieles mehr unberücksichtigt lassen, weil sie zwar auch zur Trauer dazugehören, aber aus einem anderen Blickwinkel.

Zunächst kann der Hinterbliebene in dieser verzweifelten Situation den Blick nur noch in Richtung Vergangenheit richten, denn das ist das einzige, was er mit dem geliebten Vorausgegangenen sicher gemeinsam hatte und was ihm niemand mehr nehmen kann. Eine gemeinsame Zukunft wird es nicht mehr geben. Er projiziert seine ganze Liebe in die Vergangenheit und je mehr er sich in der gemeinsamen Vergangenheit in Liebe aufhält, um so größer wird die Trauer. Irgendwann kommt er an den Punkt, dass er den geliebten Menschen im Hier und Jetzt noch mehr als menschliche Worte es ausdrücken können, liebt, denn er stellt sich ständig vor, was wäre, wenn …. Die ohnehin schon unendlich tiefe Liebe wird noch größer, noch intensiver und damit auch die Trauer. Der Gedanke an eine nicht mehr zu realisierende gemeinsame Zukunft in tiefer Liebe und Verbundenheit (und nur darum geht es), ist dann das Tüpfelchen auf dem i. Die Liebe, die jetzt Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft überzieht, ist gekoppelt an eine dazu proportional verlaufende Trauer. Und solange diese innige Liebe in all ihren Facetten besteht, wird auch die Trauer nicht weichen. Die Trauer wird die Liebe überdecken, wird sie oft für den Trauernden unsichtbar machen, es kommt zu einem Hin- und Herpendeln zwischen den Gefühlen der Trauer und der bedingungslosen Liebe und sie werden sich gegenseitig triggern. Im Gegensatz zum Gefühl der Liebe, das immer gleich bleibt, wenngleich es von allem, was mit der Trauer einhergeht, überdeckt werden kann, verändert sich das Gefühl der Trauer und zwar nicht in Form von Intensität sondern in Form von Schädlichkeit für den Hinterbliebenen.

Aus der Sicht der geistigen Welt ist Trauer nichts Negatives, sondern sie ist nur parallel zur Liebe zu verstehen, denn je mehr jemand liebt, desto mehr trauert er auch. Aber dann sehen wir auch die Hinterbliebenen, die unter der Trauer so leiden, dass sie oft das Gefühl der Liebe gar nicht mehr spüren können. Und dann sehen wir wie negativ Trauer im Diesseits doch ist. Trauer „höhlt“ den Trauernden förmlich innerlich aus. Was bleibt, ist eine Hülle, die das Funktionieren in der menschlichen Gesellschaft versucht zu ermöglichen, aber auch nicht mehr. Je weiter die innere Leere geht, desto größer ist die Gefahr, dass der Trauernde im wahrsten Sinne des Wortes „Zusammenbricht“.

Was kann man dagegen tun?

Wie ich vorhin schon angeführt habe, sind die Gefühle von inniger Liebe und tiefer Trauer zueinander proportional. In diesem Zustand des Zusammenbrechens muss das Gefühl der innigen Liebe, die immer da war und da ist, aber die einem oft gar nicht mehr bewusst ist, allmählich wieder in den Vordergrund treten und sie muss anfangen die innere Leere ganz langsam wieder auszufüllen. Die Reflexion über die unendliche Trauer muss jetzt gekoppelt werden an das Gefühl der ewig bestehenden, nicht endenden Liebe, denn sie ist es, die die innere Leere ein kleines bisschen erträglicher machen kann. Dieses positive Gefühl beim Gedanken an den lieben Vorausgegangenen füllt die Leere ein ganz kleines bisschen auf. Der Trauernde muss jetzt eine Balance finden zwischen Liebe und Trauer mit Hang zur Liebe um die Leere weiter aufzufüllen. Bei unendlicher, bedingungsloser Liebe zwischen zwei Menschen wird die innere Leere nie ganz verschwinden, sie wird lediglich eine Balance bilden zu dieser fortwährenden Liebe, die den Trauernden wieder in einen Zustand versetzt, dass er sein Leben weitergehen kann und die die zerstörerische Kraft der Trauer in Schach hält, ohne sie besiegen zu wollen und zu können. Die Aufgabe der intensiven Liebe ist es lediglich, die Spitzen der destruktiven Eigenschaften der Trauer zu kappen, so dass sie, obwohl immer noch existent, nicht mehr lebensbedrohlich schädlich ist.

Es ist nicht mehr das alte Leben, das Leben vor dem Heimgang des geliebten Menschen, es ist ein anderes, ein neues Leben, geprägt von inniger, bewusster Liebe zu einem Menschen, den man physisch nicht mehr in den Arm nehmen kann, von dem man aber weiß, dass er immer bei einem ist, einen beschützt, begleitet und mit Ratschlägen zur Seite steht.

Diese Überlegungen gelten nur für Menschen, die nicht nach drei Monaten den Heimgegangenen vergessen haben oder womöglich froh sind, dass er nicht mehr neben ihn physisch lebt. Aber ich denke, diese Menschen brauchen auch meine Überlegungen nicht.

Ansprechen möchte ich mit diesen Gedanken all jene Trauernden, so wie meine Mama, die über den Verlust ihres Angehörigen nicht hinwegkommen und in einer Endlosschleife von Vermissen, Sehnsucht und Trauer hängenbleiben auf Grund ihrer bedingungslosen Liebe, die sie nicht zur ihrem eigenen Wohl einsetzen können. Denn jeder der so liebt, kann sich gewiss sein: wir Vorausgegangenen empfinden dieselbe Liebe zu euch, was dieses Band ja so stark macht und wir geben euch alle nur möglichen Hilfestellungen, damit ihr wieder in ein irdisches Leben eintreten könnt, das es euch ermöglicht bis zu unserem Wiedersehen noch möglichst viele positive Momente zu erleben. Bedenkt, die negativen Aspekte der Trauer sind nur in der kurzen Periode von Bedeutung, in der wir getrennte Wege gehen und die sind wirklich im Verhältnis zur Unendlichkeit zu vernachlässigen, auch wenn es im Diesseits lange erscheint. Sobald wir wieder beisammen sind, hat die Trauer ihren Schrecken verloren und verwandelt sich in zusätzliche pure Liebe, falls ein mehr an Liebe in diesen Fällen überhaupt möglich ist.

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