Kurzgeschichten 2

Pilze

 

Heute habe ich mir etwas ganz anderes einfallen lassen, um meine Mama auf andere Gedanken zu bringen: wir gehen in die Pilze. Bevor ich bei ihr bin, habe ich ihr schon mitgeteilt, dass sie unser Pilzbuch und einen Korb mitbringen soll. Dann hole ich sie ab und wir fahren in den nahegelegenen Wald, wo wir auch früher schon oft Pilze gesucht haben. 
Wir parken und machen uns auf den Weg. Es ist kühl, feucht und etwas nebelig, eigentlich perfektes Wetter, dass die Pilze wachsen können. Wir gehen den leicht ansteigenden Waldweg hinauf. Aus Erfahrung weiß ich, dass man schon ein Stück vom Weg abgehen muss. um den einen oder anderen Pilz zu finden. Und das machen wir auch. Oh, da gibt es ja schon den ersten Pilz. Ob der essbar ist? Wir schauen in unserem Pilzbuch nach, und da wir an Hand der Merkmale nicht sicher sind, lassen wir ihn stehen. Ich weiß, dass man bei vielen Pilzen erst sieht, ob sie genießbar sind, wenn man sie von unten, nach dem Entfernen vom Boden, anschaut, aber wir wollen hier ja keine Pilzleichen liegen lassen, weshalb wir vorsichtig sind. Wir durchforsten den Wald links und rechts des Weges und finden Stockschwämmchen, Austernseitlinge, Parasol, Birkenpilz, Schopftintlinge, aber auch einen Fliegenpilz, den wir natürlich nicht mitnehmen, und noch einige andere, als essbar eingestufte Pilze. Viele sind es nicht, denn vorsichtig wie wir sind, schauen wir erst im Pilzbuch nach. Da hat Mama die Idee, dass es eine App zur Bestimmung von Pilzen gibt. Die setzt aber voraus, dass man den Pilz von allen Seiten fotografiert, also abschneidet, was wir nicht wollen. Außerdem traue ich eher den altbewährten Büchern, die uns seit Jahren gute Dienste geleistet haben. Oh, was ist denn das für ein Pilz? Den haben wir noch nie gesehen und wir finden auch nichts dazu in unseren Büchern. Sind wir einfach zu dumm dafür? Auf jeden Fall lassen wir ihn stehen und gehen weiter. Groß ist unsere Ausbeute heute nicht, aber es macht uns auf jeden Fall viel Spaß. 
Da kommen wir schließlich an einem kleinen Natursee mit daneben liegender Quelle vorbei. Ich habe die Idee, dass wir hier unsere Pilze ein bisschen abwaschen könnten, sind sie doch zum Teil  dick voll mit Erde. Gesagt - getan. Ein bisschen spritzen muss ich mit dem Quellwasser schon, denn erstens macht es mir Spaß und zweitens lacht dann auch meine Mama, was ich aus ihrem Alltag seit meinem Heimgang nicht kenne. Aber viel Wasser darf es nicht sein, denn es ist ohnehin feucht und kühl.
Nach diesem Zwischenstopp gehen wir wieder in Richtung Auto, diesmal den Berg hinunter. Das ist so ein schöner Rundweg. Beim Auto angekommen, verstauen wir die Pilze im Kofferraum, steigen ein und fahren zu meinem Elternhaus. Da ich noch ein bisschen Zeit habe, gehe ich gleich in die Küche und beginne ein Pilzgericht zuzubereiten. Mama putzt die Pilze sauber, wieviel Erde und Sand da noch dranhängen! Dann schneiden wir sie klein und geben sie mit Öl, Zwiebeln und Petersilie in eine Pfanne und dämpfen sie ein wenig, bis sie durch sind. Ich rühre kräftig, damit nichts anbrennt und Mama deckt mittlerweilen den Tisch. Heute kommt auch mein Papa dazu, der unsere Pilze und meine Kochkunst kritisch beäugt. Wir setzen uns alle drei an den Tisch, essen mein Pilzgericht, das ich natürlich vor dem Servieren noch gewürzt habe, und sind froh wieder einmal als kleine Familie zusammen zu sein. Mein Papa holt noch einen guten Wein aus dem Keller und wir stoßen auf die guten, alten Zeiten an. Wie viele Erinnerungen da bei uns plötzlich zu Tage kommen! Jedem fällt irgendein schönes Ereignis aus der Vergangenheit ein und wir erleben einen herrlichen Nachmittag. Wir strahlen alle drei  und vergessen, dass wir uns bald wieder trennen müssen, denn meine Zeit hier bei Mama und Papa ist leider begrenzt.
Langsam muss ich ans Abschiednehmen denken. Aufräumen tut Mama später wie üblich. Die kostbaren Momente mit mir will sie nicht mit solchen Tätigkeiten verschwenden. Und dann kommt wieder der Moment des Abschieds. Mama begleitet mich mit traurigem Blick zur Türe und auch mir fällt es nicht leicht zu gehen, obwohl ich eigentlich immer bei ihr bin, aber es ist eben etwas anderes, wenn ich sie in meiner feinstofflichen Gestalt begleite. Noch eine innige Umarmung und das Versprechen, bald wieder etwas gemeinsam zu unternehmen  und dann bin ich leider wieder weg bis zum nächsten Mal.

 

 

Augenblicke in Österreich (1)

 

Heute treffen wir uns in Österreich, dem Ferienort, in dem meine Großeltern viele Jahre Urlaub gemacht haben und wo wir sie jedes Jahr besucht haben und schöne Stunden verbracht haben.
Meine Mama wartet bereits sehnsüchtig auf mich vor dem Haus. Wir nehmen uns eine kleine Kutsche für Touristen und fahren gemütlich den Weg hinunter bis in den Ort. Aber statt eines Stadtbummels, beschließen wir mit dem Schiff, das gerade anlegt, eine kleine Rundfahrt zu machen. Also stellen wir unsere Kutsche ab und schauen, ob wir noch einen Platz auf dem Ausflugsschiff bekommen. Oh weh, ist da ein Andrang. Aber wir haben Glück und dürfen nach dem Zahlen an Bord. Wir setzen uns ins Freie, obwohl ich das eigentlich gar nicht so mag, aber von hier aus ist die Aussicht einfach besser. Mama ist sofort dafür, hofft sie doch ein bisschen Sonnenbräune abzubekommen. Das Schiff legt ab und tuckert gemütlich den See entlang. Wir winken den Urlaubern auf der Uferpromenade zu und genießen die gemeinsamen Momente. Wir erinnern uns an viele schöne Augenblicke, die wir hier früher gemeinsam verbracht haben und vergessen, dass das alles Vergangenheit ist. Für uns ist es im Moment wie gelebte Realität. Ach da hinten, da sieht man den Campingplatz, auf dem wir früher mit unserem Wohnwagen übernachtet haben. Und da, das Restaurant, in dem es das gute Essen gegeben hat, wo ich mich immer nicht entscheiden konnte, was ich bestellen soll. Auf der anderen Seite die Berge und die Bergbahn, mit der wir auch des öfteren auf den Berg gefahren sind, weil Mama zu bequem zum Laufen war. Wir lassen unseren Gedanken freien Lauf und erfreuen uns an diesen gemeinsamen, herrlichen Momenten. 
Und schon nähert sich das Schiff wieder dem Anlegeplatz, die einstündige Rundfahrt ist schon zu Ende. Für uns ist es, als ob wir gerade erst eingestiegen wären, so schnell ist die Zeit vergangen. Wir gehen an Land, holen unsere Kutsche und fahren in die Ortsmitte. Da stellen wir sie wieder ab und schlendern ein bisschen durch die engen Gassen, vorbei an zahlreichen Ständen, die Andenken und Spezialitäten verkaufen, hin zu einem wunderschönen Café, wo wir uns jeder einen üppigen Eisbecher genehmigen. Oh, ist der lecker! Ich hätte mir am liebsten noch einen zweiten bestellt, aber Mama mahnt zum Aufbruch, wollen wir doch noch auf die nahe gelegene Käsealm. Also bezahlen wir und machen uns auf den Weg zu unserer Kutsche. Unterwegs kommen wir an einem Juwelier vorbei, der typisch österreichische Schmuckstücke verkauft. Wir schauen ins Schaufenster und sehen einen Ring, der uns beiden gefällt. Also gehen wir hinein und ich kaufe ihn Mama als Andenken an unseren heutigen Ausflug. Sie ist total gerührt. Dann gehen wir auf dem kürzesten Weg zu unserer Kutsche und fahren den Weg zur Käsealm hinauf. Wir haben Glück, dass der gesamte Weg so gut ausgebaut ist, dass man bis knapp vor die Türe fahren kann. Da werden wieder Erinnerungen an meine Großeltern wach, mit denen wir oft hier waren. Oh wie das nach leckerem Käse duftet. Da müssen wir unbedingt in das kleine Gebäude hinein. Ganz schön eng hier, da sich viele Touristen, so wie wir,an den Regalen vorbeidrängen. Wir wollen Käse kaufen. Da hinten, der Käse, so groß wie ein Wagenrad, von dem hätten wir gerne ein Stück. Die Verkäuferin stöhnt, muss sie doch das schwere Stück wegen uns aus dem Regal dehnen. Sie schneidet uns ein ordentliches Stück von dem Leib ab und wir beschließen, auch noch von einem anderen großen Leib ein Stück mitzunehmen. Sie stöhnt abermals wegen des hohen Gewichts. Ich biete ihr an, ihr beim Tragen zu helfen, aber das ist aus lebensmittelrechtlich hygienischen Gründen nicht erlaubt. Aber schließlich schafft sie es. Unsere Tüte mit dem Käse ist ganz schön schwer. Wir bezahlen und verlassen den kleinen heimeligen Laden, um uns auf der Bank davor niederzulassen, um den Käse zu kosten. Glücklicherweise habe ich mein kleines Taschenmesser dabei und ich schneide jedem von uns ein Stück von jeder Sorte ab. Ach schmeckt der lecker, kein Vergleich zu dem Käse aus dem Supermarkt. Wir sitzen einige Zeit auf der Bank und genießen die Landschaft und schwelgen in Erinnerungen. Wir vergessen dabei die Welt um uns herum und genießen einfach unsere Zweisamkeit. Aber wie schnell vergeht doch die Zeit.
Wir müssen uns zum Leidwesen von Mama wieder auf den Rückweg machen. Wir fahren mit unserer Kutsche den Berg hinunter in den Ort, wo wir noch vor einer Metzgerei Halt machen, um das obligatorische Rauchfleisch und die geräucherten Würstchen zu erstehen.
Jetzt müssen wir uns beeilen, denn ich muss mich wieder auf den Rückweg machen. Ich bringe Mama zurück zur Pension, liefere die Kutsche ab,  und verabschiede mich von Mama, die es gar nicht glauben kann, dass unsere gemeinsame Zeit schon wieder vorbei ist. Ich tröste sie und verspreche ihr, nochmal eine Tour in Österreich mit ihr zu machen. Schweren Herzens verabschieden wir uns und freuen uns aufs nächste Mal. Lange winkt sie mir nach, bis ich schließlich für sie nicht mehr wahrnehmbar bin. Da tut sie mir richtig leid, aber auch mir fällt so ein Abschied immer schwer, obwohl ich in meiner feinstofflichen Gestalt immer bei ihr sein kann.

 

 

Augenblicke in Österreich (2)

 

Heute treffen wir uns auf dem Parkplatz einer größeren österreichischen Touristenhochburg. Mama strahlt, als sie mit dem Auto angefahren kommt und mich schon dastehen sieht. Schnell kommt sie auf mich zu und nach einer innigen Umarmung machen wir uns auf den Weg ins Zentrum. Viele Touristen strömen mit uns Richtung Innenstadt. Auf dem Weg dorthin kommen wir an diversen Souvenirläden vorbei und da sticht mir auch schon ein weißer, spitz zulaufender Filzhut, sieht eigentlich von der Form her  aus wie ein Zuckerhut, ins Auge. Ich probiere ihn auf und zu meiner Überraschung - der passt mir! Ach sieht der witzig aus - den muss ich haben. Meiner Mama ist es ja etwas peinlich, dass ich mir diesen Hut zulege, aber mir gefällt er einfach und sie will mir doch keinen Wunsch mehr ausschlagen. Wir gehen in den Laden und bezahlen. Von jetzt an bewege ich mich mit diesem "Sepplhut" durch die Straßen. Eigentlich passen da ja meine Jeans nicht dazu, weshalb ich nach einer typischen österreichischen Beinbekleidung Ausschau halte. Und schnell kommen wir an einem typischen Trachtenmodengeschäft vorbei. Da müssen wir unbedingt hinein. Ich schaue mir die verschiedenen Trachtenhosen an. Lederhosen in allen Variationen, kurz, lang, Kniebundhosen; ich entscheide mich für eine lange Lederhose mit typischen Trägern, die gefallen mir. Die Hose ist aus einem weichen Leder in hellgrau, sieht eigentlich richtig chic aus. Dazu erstehe ich noch ein weißes Hemd mit Hirschhornknöpfen und Stehkragen. Alles in allem sehe ich jetzt aus wie ein Bursche von der Alm.  Das gefällt mir. Dann noch meinen neuen Hut dazu - so erkennt mich niemand mehr. Ich überrede Mama noch zu einem edlen Dirndl, das sieht richtig hochwertig aus, ist auch nicht ganz billig, aber steht ihr gut, da sie ja so eine zierliche Figur hat. Wir bezahlen und ziehen die neu erworbenen Kleidungsstücke gleich an. Jetzt sieht niemand mehr, dass wir Touristen aus dem Flachland sind. In unserer neuen "Verkleidung" setzen wir unseren Spaziergang durch die engen Gässchen fort und erfreuen uns an den vielen typischen Läden, in die die Menschenmassen hineinströmen. Als wir an einem Spirituosengeschäft vorbeikommen, lassen wir uns von den Menschenmengen mit treiben und werden hineingeschoben. Gerne schaue ich mir die österreichischen Spezialitäten an und koste auch hier und da ein Schnäpschen oderLikörchen. Natürlich muss ich auch ein paar kleine Flaschen erstehen, denn hier gibt es Spezialitäten, die ich bisher noch nirgends gesehen habe. Dann setzen wir unseren Stadtbummel fort und kaufen noch ein paar Mozartkugeln, die wir schon früher so gerne gegessen haben. So langsam dreht der Rundweg Richtung Rückweg. Da - was hören wir da? Eine Musikkapelle? Wir beschleunigen unseren Schritt und sehen tatsächlich Musiker mit den verschiedensten Musikinstrumenten, die Passanten suchen, die in der Kapelle mitmarschieren. Zielstrebig kommt einer auf uns zu, wahrscheinlich wegen unserer "Verkleidung" und fragt, ob wir nicht mit Blasinstrument und kleiner Trommel mitmarschieren möchten. Ja, eigentlich schon, aber wir haben doch jeder Tüten in den Händen - kein Problem. Der nette Mann besorgt für jeden von uns einen Rucksack, in den wir unsere "Schätze" hineinstecken. Jetzt haben wir wieder beide Hände frei und können uns um die Musikinstrumente kümmern. Nach einer kurzen Einführung geht es auch schon los. Stolz marschieren wir in dem Umzug mit, wenngleich von uns so manch falscher Ton kommt. Am Straßenrand versammeln sich schnell viele Menschen und winken dem Umzug, und damit auch uns, zu. Die Kapelle geht noch so manchen Umweg auf dem Weg zurück, was meiner Mama sehr recht ist, denn so verlängert sich unsere gemeinsame Zeit noch ein wenig.
Aber schließendlich kommt der Umzug genau auf dem Parkplatz an, wo meine Mama auch vor Stunden ihr Auto abgestellt hat. Wir bedanken uns bei den Musikern, dass sie uns die Möglichkeit gegeben haben mitzumarschieren und erst jetzt bemerken sie an unserem Dialekt, dass wir ja gar nicht aus der Gegend sind.
Uns hat diese Einlage sehr gut gefallen und wir haben gar nicht bemerkt wie schnell die Zeit vergangen ist. Ich belade noch schnell Mamas Auto bevor ich mich von ihr verabschiede und sie aus dem Parkplatz herauswinke. Auch heute schaut sie mich wieder ganz traurig an - ein Unterschied wie Tag und Nacht, solange wir zusammen sind strahlt sie und ist fröhlich und wenn ich gehen muss, überfällt sie wieder die tiefe Trauer. Aber auch heute verspreche ich ihr, dass wir uns in den nächsten Tagen zu einem neuen Abenteuer treffen werden, ein kleiner Trost für sie.

 

 

 

Krankenbesuch (1)
 

Heute mal eine etwas andere Geschichte. Ich mache einen Krankenbesuch bei meiner Mama. Nachdem sie sich den Fuß gebrochen hat, können wir heute nichts im Freien unternehmen, wo sie viel laufen muss. Also gehe ich heute zu ihr und versuche sie ein bisschen abzulenken. Als ich ihr Zimmer betrete, sehe ich sie auf ihrer Liege sitzen, eingehüllt von viel Papierkram, den sie bearbeitet. Sie ist ganz überrascht mich zu sehen, hat sie doch noch gar nicht mit mir gerechnet. Sofort erkenne ich die Liege, auf der ich zu meinen Lebzeiten auch des öfteren lag. Sie freut sich sehr und macht mir auch gleich Platz, damit ich mich zu ihr setzen kann, so wie sie es früher bei mir gemacht hat. Jetzt merke ich erst wie unbequem man da sitzt und begebe mich lieber auf einen Stuhl, der am Tisch daneben steht. Wir unterhalten uns über dies und das wie zu Lebzeiten. Da fällt mir ein, dass wir eigentlich eine Seife mit Blattgold überziehen wollten, dieses Projekt aber leider zu meinen Lebzeiten nicht mehr verwirklichen konnten. Mama war gleich einverstanden. Sie hat die Materialien dafür immer noch griffbereit im Regal liegen wie wenn sie wüßte, dass wir es doch noch machen.
Also hole ich die Seifen und das Blattgold - oh, da muss ich ganz schön aufpassen, dass es mir nicht reißt, das ist ja hauchdünn. Das wusste ich gar nicht mehr wie empfindlich das ist. Ich gehe in meine Wohnung und hole einen feinen Pinsel und diverse andere Utensilien und dann kann es losgehen. Die Seife muss ein klein wenig feucht gemacht werden, damit das Blattgold auch hält. Über Wasserdampf mache ich die Seifenoberfläche für das Blattgold aufnahmebereit. Dann kommt die nächste Schwierigkeit, denn das Blattgold darf ja keine Falten werfen. Total erstaunt schaut mir Mama zu. So hätte sie das nie gekonnt, gibt sie mir mit Bewunderung zu verstehen, habe ich ihr doch schon mehrmals gesagt, sie solle es eben alleine probieren, aber sie hat sich nicht rangetraut. Ich merke jetzt, dass es gar nicht so einfach ist. Mit meinem Pinsel trage ich das Gold ganz vorsichtig auf. Tja, das war die erste Seite, aber jetzt kommt die andere und ich habe noch keine Ahnung wie ich das machen soll, damit sich das Gold von der ersten Seite nicht ablöst. Ich ziehe Schutzhandschuhe an, um keine Fingerabdrücke zu hinterlassen. In der Zwischenzeit verbindet sich das bereits aufgetragene Gold mit der Seife und scheint ganz gut zu halten. Dann versuche ich die untere Seite in einem passend zugeschnittenen Stück Blattgold ganz vorsichtig zu "wälzen" und zu meinem Erstaunen - es hält. Noch ein bisschen Kosmetik und die erste Seife ist fertig. - Ach wie die glitzert und gleichzeitig duftet. Meine Mama ist ganz begeistert und denkt gar nicht mehr daran, dass sie zur Zeit gehandicapt ist. Heute muss ich alles selber aufräumen, was aber kein Problem darstellt. Mama bietet mir von ihren Minichinois welche an - wie gerne habe ich die zu Lebzeiten gegessen. Jeden Tag - ohne Ausnahme. 
Ich setze mich zur ihr auf die Liege und wir beginnen im Internet nach interessanten Artikeln zu suchen, die uns beide interessieren und über die wir uns dann wieder ausgiebig austauschen können. Das haben wir zu meinen Lebzeiten täglich gemacht und wir vermissen dieses Ritual beide. Die Zeit vergeht wie im Flug und auch ich bemerkte gar nicht wie spät es schon ist. Eigentlich muss ich mich so langsam wieder verabschieden, aber Mama schaut mich so traurig an, dass ich ihr vorschlage noch ein Fotoalbum von früher mit ihr anzuschauen. Das macht sie gerne und dabei erzählen wir uns wieder allerlei, was uns zu den Bildern so einfällt. 
Aber jetzt ist es wirklich an der Zeit für mich zu gehen. Ich verspreche ihr, beim nächsten Mal als erstes alte Fotoalben mit ihr durchzugehen, sind da doch Erinnerungen von denen ich nichts mehr weiß. Der Abschied fällt uns heute besonders schwer, muss ich sie doch in diesem desolaten Zustand zurücklassen. Da fällt mir ein, dass ich mit ihr noch die Homepage durchschauen wollte im Hinblick auf die "künstlerische" Gestaltung. "Morgen komme ich wieder" sage ich ihr zum Abschied und als Trost, damit sie etwas hat, worauf sie sich freuen kann. Und auch mir tut es gut zu wissen, dass ich am nächsten Tag wieder eine Aufgabe in meinem Elternhaus habe. Wir winken uns zu und dann bin ich auch schon unterwegs in mein neues Zuhause. Das ist manchmal schon ein komisches Gefühl so zwischen den Welten hin- und herzupendeln, obwohl es für viele von uns Jenseitige der Alltag ist. Können wir doch immer gleichzeitig hier und dort sein!

 

 

Krankenbesuch (2)

 

Heute mache ich wie versprochen wieder einen Krankenbesuch bei meiner Mama, diesmal habe ich noch meine Omi, die auch in der geistigen Welt ist, mitgebracht, will sie doch mal nach ihrem kranken "Mädi", wie sie meine Mama zu Lebzeiten nannte, schauen. Ach ist das eine Freude auf allen Seiten als wir kommen. Gleich setzt sich meine Omi auf die Liege meiner Mama und versucht sie zu trösten, wird meine Mama doch so langsam ziemlich ungeduldig, weil sie ihren Fuß schonen und damit nicht aufstehen soll. 
Ich schlage Mama vor heute als erstes die Homepage durchzugehen und dann erst die Fotoalben, damit ich mir das Layout anschauen kann. Schließlich soll die Homepage ja irgendwann veröffentlicht werden. Ach hat sie das schön gemacht, ich spüre richtig die Liebe und Hingabe, mit der sie hier arbeitet. Obwohl sie mit der Farbkomposition noch nicht überall zufrieden ist, finde ich sie sehr passend und zum Teil auch sehr tiefgründig. Überhaupt versteht man manche Bilder erst durch Nachdenken, was mir sehr zu Gute kommt. Wir gehen alle Seiten durch, korrigieren den einen oder anderen Tippfehler und beratschlagen, wo noch durch geeignete Bilder die Seite ein bisschen aufgelockert werden könnte. Da fällt mir noch das rote Herz und die weiße Rose ein, die sie mir letztes Jahr zum Valentinstag geschenkt hat. Die könnte sie abfotografieren und vielleicht auf meine Seite über mein Leben im Jenseits einfügen, das rote Herz auf ihre Seite mit den Jenseitskontakten. Da fällt mir ein, ich habe ihr doch letztes Jahr meine Lieblingskobra zu Valentin geschenkt, weil ich nicht fort konnte, um ihr etwas zu kaufen. Das war wirklich ein großes Geschenk, liebte ich diese Schlange doch über alle Maßen. Welch tiefgründige Bedeutung dieses Geschenk für unser Leben haben wird, war mir damals noch nicht bekannt. Die kann sie vielleicht auf der Seite der Medialität unterbringen. Jetzt habe ich ihr wieder genug Arbeit für die nächsten Tage gegeben. 
Meine Omi kann sich gar nicht losreißen von unserer Homepage und muss immer wieder einen neuen Artikel lesen.
Wir lassen sie und widmen uns meinem nächsten Projekt für heute - die Fotoalben. Leider existieren nicht mehr so viele Bilder, da zum Leidwesen von Mama viel bei unserem Hausbrand kaputt gegangen ist. Dennoch haben wir noch einiges gerettet oder die Erbstücke von meiner Omi erstanden. Ich hole die Bilder aus dem Schrank und wir schauen sie gemütlich an. Viel erzählt mir Mama zu den Kinderbildern, eine Zeit, an die ich mich zum Teil nur schemenhaft erinnern kann. Ja da, die Bilder mit dem Schnee - neben mir ein von Mama gebauter Schneemann, der sich in der Größe kaum von mir unterscheidet. Dann die Bilder auf denen ich eine Steckdose in der Hand halte und ein Kabel einstecke - da kann ich mich noch dran erinnern, ich habe so gerne Kabel in der ganzen Wohnung verlegt, und das gleiche Faible hatte ich im Freien mit Wasserschläuchen. Davon existieren zahlreiche Bilder - auch im Urlaub war ich stets aktiv. Und da ein Bild mit einem Holzkohlengrill, wo ich nicht nahe genug die Nase reinstecken konnte. Und hier - ich habe ein weißes Shirt an und stecke meinen Arm in den Auspuff unseres Autos - und Mama lacht damals - genau wie heute. Oh, da sind so viele Bilder, da werden wir heute gar nicht fertig damit. Jetzt habe ich ein Album erwischt, da bin ich in meiner Jugend zu sehen mit meinen vielen Hobbys, die mich mein Leben begleitet haben. Ganz vorne dran die Chemie und Pyrotechnik. Ach das war ja an Silvester 1999/2000 und das an Silvester 2000/2001. Waren das herrliche Feierlichkeiten mit unseren Bekannten und da kommt auf einmal mein Papa und meint, er habe das Silvestervideo zum Jahrtausendwechsel gefunden, als ich ein Musikfeuerwerk aufgebaut und kreiert habe. Ja, das wollen wir unbedingt anschauen und schon startet er die Wiedergabe. Das war herrlich, aber ich glaube für Mama sehr emotionsbelastet, denn ihr stehen die Tränen in den Augen und sie nimmt mich auch ganz fest in den Arm. 
Jetzt muss ich für Ablenkung sorgen, damit sie nicht genauso traurig wird wie wenn ich nicht da bin. Aber wie? Mir fällt nichts ein! Oder doch - ich habe noch ein paar Batterien Tagefeuerwerk, die man ganzjährig abbrennen darf. Schnell eile ich in meine Wohnung und bringe drei Stück in den Farben blau - orange - magenta. Die zünde ich hinter dem Haus an, so dass Mama nicht weit gehen muss und trotzdem alles sieht. Das freut sie jetzt wieder, sieht sie mich doch in alter Frische auf unserem Grundstück herumlaufen. 
Als ich hereinkomme, haben meine Omi und mein Papa ein paar Stück Kuchen auf den Tisch gezaubert und wir setzen uns hin und reden wie wir es vor unserem Heimgang oft gemacht haben. Das ist so schön und die Zeit vergeht wie im Flug. Und ständig fällt uns noch etwas ein. Eigentlich wollte ich noch ein bisschen davon erzählen wie wir in unserer "neuen" Heimat leben, aber Omi drängt zum Aufbruch, sind wir doch zeitlich schon wieder überfällig.  Aber ich verspreche Mama in den nächsten Tagen wieder zu kommen und ihr ganz genau davon zu erzählen.  Ich glaube meine Omi ist nicht abgeneigt, noch einmal mitzukommen - vielleicht können wir auch meinen Opi überreden, hat der doch ganz maßgebliche Vorarbeit geleistet. 
Eine dicke Umarmung mit meiner Mama, ihre traurigen Augen tun mir immer so weh, zumal sie jetzt auch noch von Omi Abschied nehmen muss. Ich tröste sie und verspreche ihr, den nächsten Besuch noch "heute" zu planen. Tja und dann verlassen wir mein "altes" Zuhause, wo ich mich 40 Jahre so wohl gefühlt habe und wo ich auch heute täglich bin, weil auch ich mich, wenn auch feinstofflich, immer wieder hingezogen fühle.

 

 

 

 

 

 

 

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