Die Entwicklungsgeschichte meines Grabsteins

Traurig und schön, so könnte ich das folgende Kapitel zusammenfassen

Schon relativ bald nach meinem Heimgang stellte sich für meine Eltern die Frage nach einem Grabstein. Es sollte etwas Besonderes werden und mich als Mensch würdigen. Aber wie? Leider steckte damals die Kommunikation mit Mama noch in den Kinderschuhen und sie konnte mich nicht so einfach wie heute mal kurz fragen. Ich leitete sie so gut es ging und wünschte mir so sehr, dass meine chemische, pyrotechnische Leidenschaft ein bisschen zum Ausdruck kommen würde. Sie gingen zu verschiedenen Steinmetzen und unterbreiteten ihnen ihre Intention einen Grabstein für einen Chemiker erstellen lassen zu wollen. Einer schlug vor von irgendeiner chemischen Substanz die Strukturformel auf den Grabstein machen zu lassen. Die Idee gefiel mir schon sehr gut und auch die Formel, die Mama im Kopf hatte, kam mir sehr entgegen. Aber was war mit meinem geliebten Feuerwerk? Die Wochen vergingen, Mama lernte mit mir über JA und NEIN zu kommunizieren und meine Eltern überlegten sich ständig wie ein Feuerwerk auf meinem Grabstein aussehen könnte. Ja, ein Vulkan, eine Rakete, irgend so etwas wäre nicht schlecht. Und da stießen meine Eltern auf einen Steinmetz, der ihnen vorschlug ein Feuerwerksbild von einem Feuerwerk über Esslingen zu gestalten. Das war es, das hat auch mich begeistert. Aber über Esslingen – zu unpersönlich und da hatten meine Eltern die Idee eines Feuerwerksausschnittes wie wenn ich sehnsüchtig zu unserem Wohnzimmerfenster in den Nachthimmel geschaut habe, weil ich selber mich an dem regen Treiben nicht mehr beteiligen konnte. Ja, das gefiel mir und ich bestätigte Mama diese Idee. Also fertigte Papa ein Bild mit der gewünschten Perspektive an und Mama suchte Feuerwerksbilder von meinen früheren Feuerwerken mit Motiven wie ich sie liebte. Noch musste Mama Medien fragen, ob mir das eine oder andere so gefällt wie sie es sich gedacht hat – die Antworten haben sie manchmal nicht überzeugt, ist auch nicht verwunderlich, stecken doch die Medien nicht so in der Materie drin wie es notwendig gewesen wäre. Das Ganze hat sich glücklicherweise einige Zeit hingezogen und allmählich konnte ich mit Mama ein bisschen kommunizieren und von jetzt an ging die Planung voran. Das chemische Element? Ein sechseckiger Grabstein in Anlehnung an einen Benzolring. Zunächst wollten wir die Doppelbindungen einzeichnen lassen, wussten aber nicht so recht, welche Buchstaben an die „Ecken“ sollten, damit das Ganze Sinn macht. Ja und das Feuerwerk sollte auf einem dunklen Stein sein, der den Nachthimmel symbolisierte. Aber eigentlich wollte ich doch einen hellen Stein. Der Steinmetz schlug uns einen zweigeteilten Stein vor: unten hell – oben dunkel und am Übergang die Häuserzeile, die ich von unserem Wohnzimmerfenster aus sehen konnte. Dem konnte ich zustimmen und der Stein wurde bestellt. Lieferzeit: 3 bis 4 Monate. Mama war nicht begeistert – so lange? In der Zwischenzeit ist sie froh, denn diese Zeit konnte sie nutzen um mit mir besser kommunizieren zu lernen. In dieser Zeit haben wir viele Feuerwerksmotive gemeinsam auf schwarzem Karton ausprobiert und auch die verschiedenen Farben, die das Feuerwerk haben sollte, konnten wir gemeinsam festlegen. Wir einigten uns auf viel Gold und Silber mit ein bisschen blau und ein bisschen rot. Ich war fasziniert, dass ich hier so viel mitreden durfte und schließlich haben wir gemeinsam das Bild eines Feuerwerks kreiert wie es Mama dem Steinmetz zur Vorlage bringen konnte. Wir haben dann auch beschlossen, die Strukturformel weg zu lassen, weil sie den Rahmen sprengen würde und wir haben auch entschieden, die Doppelbindungen wegzulassen, weil sie den Grabstein überladen würden. Nie haben meine Eltern etwas, ohne mich zu fragen, entschieden und so war ich aktiv an der Erstellung dieses Kunstwerks beteiligt. Dass sie unter meinen Namen noch meine Bezeichnungen Chemiker und Pyrotechniker anbringen ließen, hat mich überwältigt. Wir haben zwar darüber gesprochen, aber dass sie es wirklich realisieren ließen – damit habe ich nicht gerechnet. Und endlich: im Januar kam der unbearbeitete Grabstein beim Steinmetz an und konnte jetzt nach unseren Vorstellungen bearbeitet werden. Mehrfach gingen meine Eltern in die Werkstatt und begutachteten die Entwicklung des Feuerwerksmotivs und jedes Mal gab es wieder etwas zu ändern oder zu entscheiden und während der Steinmetz das erste Mal etwas verdutzt geschaut hat, als Mama meinte „da muss ich erst mal meinen Sohn fragen, was er dazu meint“, hat er sich daran gewöhnt, dass hier der Verstorbene mit entscheidet. Der Steinmetz ist auf all unsere Wünsche eingegangen, war stets bemüht, alles zu unserer Zufriedenheit zu machen und hat selbst gute Ideen eingebracht, so dass allmählich ein richtiges Kunstwerk entstand. Als dann noch die Swarovskisteine den Stein bei geeigneter Lichteinstrahlung zum Leuchten brachten, waren wir alle begeistert. Das war bestimmt nicht einfach für den Steinmetz uns zufrieden zu stellen, aber er hat es geschafft, wofür ich auch ihm ganz herzlich danke. 

Ich danke natürlich auch meinen Eltern, die mir so ein personalisiertes Denkmal gesetzt haben. Ich spüre in dem Stein all ihre Liebe für mich und wie sie alles dafür getan haben, mir einen ganz besonderen Stein anfertigen zu lassen. Auch wenn ich eigentlich nur auf dem Friedhof bin, wenn meine Eltern dort sind, so freue ich mich doch riesig, dass ich hier so ein einmaliges „Denkmal“ bekommen habe und schaue deshalb zur Zeit öfter als früher vorbei und erfreue mich.

Vielen, vielen Dank, was für ein erhabenes Gefühl wieder einmal an irdischen Dingen mitgewirkt haben zu dürfen und damit ein Zeichen gesetzt zu haben wie dünn der Schleier zwischen Diesseits und Jenseits doch ist.

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